#7 Das Weinviertel ist das Hollywood Österreichs
Alles beginnt mit “Polt muss weinen” im Jahr 2000, als sich das Weinviertel nach und nach zum Filmviertel Österreichs, zumindest Niederösterreichs, mausert. Die Geschichte des Landgendarmen Simon Polt, einmalig verkörpert durch Erwin Steinhauer, bringt die Kellergassen des Pulkautals, das Tonkino Großkadolz oder auch perfekt erhaltene Innenräume aus einer anderen Zeit, wie in Mailberg & Großharras, einem großen Publikum im Fernsehen näher. Geweint bzw. gelacht wird klarerweise metaphorisch in der Kellerröhre. Begleitet werden die etwas sperrig & wortkarg gezeichneten Weinviertlerinnen & Weinviertler von Blasmusik, einem Achterl der Weißweinsorte Grüner Veltliner oder einer Flasche Hubertus Bräu. Der kürzlich verstorbene Weinviertel-Kenner & Schriftsteller Alfred Komarek schreibt insgesamt 7 Polt-Kriminalromane, 6 davon werden von Regisseur Julian Pölsler verfilmt. Zeitnah nimmt auch “Julia – Eine ungewöhnliche Frau” alias Christiane Hörbiger ihren Seriendienst als Bezirksrichterin in Retz auf. Und jetzt ist schon wieder was passiert.. Der bekannte Kabarettist & Filmemacher Josef Hader setzt dem Zwiebelkreisverkehr in Unterstinkenbrunn mit seinem neuen Film “Andrea lässt sich scheiden” ein Denkmal. Im angrenzenden Gasthof Müllner habe auch ich schon gefeiert und als DJ die Anlage geschossen. Die Landstraßen zwischen Stronsdorf Unterstinkenbrunn & Hanfthal finden sich im Film ebenso prominent wieder, wie das legendäre Cafe Rupprecht in Stronsdorf. Mit einer großartigen Birgit Minichmayr als Landpolizistin in der Hauptrolle, sowie Thomas Stipsits, Maria Hofstätter, Marlene Hauser und Thomas Schubert in den Nebenrollen, ist ein Schauspielerensemble zu sehen, das man sich nur wünschen kann. Josef Hader absorbiert in seiner Rolle als pensionierter Religionslehrer und “trockener” Alkoholiker das Weinviertler Wesen und ist gleichzeitig auch Regisseur des Films. Nach “Wilde Maus” ist es die 2. Regiearbeit von Hader und nach dem kultigen Simon Brenner-Film “Der Knochenmann” die 2. tragende Zusammenarbeit mit Minichmayr. Interessant zu sehen ist auch immer, wie das Weinviertel beschrieben & gezeigt wird, zumindest dürfte es eine gute Kulisse für Film & Fernsehen bieten. So heißt es im offiziellen Presseheft von “Andrea lässt sich scheiden”: “Keine Blumen vor den Fenstern, keine Menschen auf der Straße. In ihrer Trostlosigkeit erinnern die Dörfer an Westernstädte… einsame Männer und Frauen, die in ihren alten Bauernhöfen und Reihenhäusern leben wie in Burgen verschanzt. Viele haben Alkohol gebunkert, die Männer auch die eine oder andere Waffe.” Ich will nicht sagen da ist nichts Wahres dran, aber diese Beschreibungen lesen sich wie aus einer anderen Zeit und der Film spiegelt das auch nicht unbedingt wider. Um die Ironie hier mitzunehmen erinnere ich mich gerne an die Zeit zurück, als die Fußballvereine der englischen Premier League in der Nähe der Drehorte, am Sportareal in Laa an der Thaya, begonnen haben ihre Trainingslager abzuhalten. Auf Social Media ist unter dieser Neuigkeit einmal zu lesen: “Bist du deppat. Die müssen Geld haben..” Selbst ein Nicolas Cage filmte einst für “Der letzte Tempelritter” auf der Burg Kreuzenstein bei Leobendorf, die später überdies als Schauplatz für die Netflix-Serie “The Witcher” dient. Auch im unvergesslichen Panorama, als in Hanfthal ein rundes Jubiläum gefeiert wurde und die Blumenbeete vor den Häusern mit Hanfpflanzen wie im Gemeindewappen geschmückt wurden, findet sich eine Antithese zum oben gezeichneten Bild. Aber so einfach ist es nicht und auch die Filmhandlung bringt Komplikationen & Verwechslungen mit sich, wie ein Bauernschwank in 3 Akten. Die kämpferische, aber auch verzweifelte Birgit Minichmayr trifft auf den sich aufgebenden Charakter von Josef Hader. Das ist zum einen tragisch, zum anderen auch sehr lustig. Die Schläge von Regisseur Josef Hader sind sanft, aber sie sitzen. Ein Kinobesuch von “Andrea lässt sich scheiden” wird empfohlen, der sich trotz oder gerade wegen des Weinviertels auszahlen wird.
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