#9 Die Dancing Stars Andy Ogris & Toni Polster
Das Wort „Schmäh“ leitet sich laut Duden vom mittelhochdeutschen smæhe ab, was „Schmähung“, „Beschimpfung“ oder „Trick“ bedeutet. Hier kann es sich nur um einen Irrtum handeln, denn der Wiener Schmäh ist eine Lebenshaltung, eine Mischung aus Charme & Ironie. Er muss nicht immer freundlich sein, wirkt im Grunde jedoch eher entschärfend und vermittelt daher eine gewisse Leichtigkeit. Ich will nicht übertreiben und auch nicht unterschlagen, dass es sich um eine bedrohte Art des Humors bzw. des Lokalkolorits handelt. Niemand verkörpert den Wiener Schmäh für mich aber besser als die Fußballer der zweitgrößten deutschsprachigen Stadt der Welt. Daraus ergibt sich eine ganze Reihe bekannter Kicker wie Herbert Prohaska, Hans Krankl, Andreas Herzog, Peter Stöger und viele andere. Für mich stechen die Freunde Andreas “Andy” Ogris und Anton “Toni” Polster hervor. Das hängt zum einen mit meinem Aufwachsen in deren aktiver Zeit in den 80er & 90er Jahren zusammen, zum anderen mit der Sozialisation als Fan des Fußballvereins Austria Wien, bei dem beide höchst erfolgreich gespielt haben. Mit dem von Politiker Wolfgang Schüssel eingefädelten Sponsordeal mit Austria Tabak verwandelte sich der Verein damals in “Austria Memphis”. Bis heute legendär, in einer Zeit, als auch die Formel 1 – Autos aussahen wie übergroße Zigarettenpackerl. Mittlerweile ist Tabakwerbung im Sport verboten, aber das ist eine andere Geschichte. Violett/weiß auf der einen Seite und ursprünglich blau/rot, später grün/weiß auf der anderen Seite der Stadt: das Pendant Rapid Wien – oder Yin & Yang also, je nach Blickwinkel. In “einfachen” Verhältnissen aufgewachsen, Ogris in Strebersdorf und Polster im Gemeindebau in Favoriten, stehen sie seit jeher für Witz, Ironie und Kampfgeist. Und was beide vereint: Sie sind nicht nur Fußballtrainer im österreichischen Liga-Unterhaus, Polster seit über 10 Jahren beim SC Wiener Viktoria in Wien-Meidling, Ogris bis vor kurzem beim SV Stockerau in Niederösterreich, sie sind beide auch Teilnehmer von “Dancing Stars”. Das Fernseh-Tanzformat mit Prominenten, von der British Broadcasting Corporation (BBC) erfunden, läuft seit 20 Jahren im Österreichischen Rundfunk (ORF) und ist ein Quotenhit. Mittlerweile bin ich altersmäßig in die Zielgruppe gerutscht. Für Andy Ogris ist das Antreten 2020 ein Startpunkt in ein neues Leben. Nach und nach körperlich schlanker, lässt er sich von seiner Frau Michaela scheiden und findet mit der ehemaligen Fußballerin Maria Wolf eine neue Liebe. Nicht untypisch für “Dancing Stars”, nur dass es eben nicht die Tanzpartnerin oder der Tanzpartner ist. Unvergessen sind das Friseurteam Ogris und auch sein Sportcafé im Wiener Prater, mit dem Glücksschweinderl-Bankomat gleich ums Eck. Zum ersten Mal live gesehen habe ich Andy Ogris im Austria-Dress in der Saison 1993/94 mit Trainer Josef Hickersberger. Etwas früher, unter Österreichs Teamchef Ernst Happel, hat sich folgende Episode abgespielt: Der damals junge Teamspieler Andi Herzog geht bei einem Trainingslager nach dem Abendessen wie gewohnt auf sein Zimmer. Nach dem dritten Tag kommt der damalige Teammanager Heinz Palme zu ihm und sagt: “Wir haben um 19:30 Abendessen und du bestellst dir jeden Tag um 22 Uhr ein Wiener Schnitzel?!” .. “Nein Heinz, das hab ich noch nie gemacht, das trau ich mich auch gar nicht.” Am nächsten Abend ist Herzog zur besagten Uhrzeit auf dem Weg zurück von einer Massage, als er bemerkt, dass das Zimmerservice gerade an die Nachbartür klopft. “San die Bröselfetzn schon fertig?”, ruft auf einmal jemand von drinnen. Und ja genau, es ist Andy Ogris, der jeden Abend Schnitzel bestellt und die Rechnung mit Andreas Herzog unterschreibt. Ein bisschen Spaß muss sein.. Meine erste Begegnung mit Toni Polster passiert nach seiner Rückkehr aus Deutschland, Mitte der 2000er Jahre. Als Society-Reporter beim Radio im Einsatz, ist er zu dieser Zeit Werbe-Testimonial für ein Haarfärbemittel. “Servas mei scheena Bua..” ist die standesgemäße Begrüßung, so kennt man den Toni. “Spüts eh meine Liada im Radio..” Sicherlich, besonders “Toni, lass es polstern” mit “Die Fabulösen Thekenschlampen” samt Comedian Mirja Boes ist ein Smash-Hit in den Charts. Und Toni Polster ist ein “Dancing Stars” – Pionier, denn bei der ersten Staffel 2005 kommt er bis ins Finale. Gewonnen hat damals Marika Lichter im bekannten, blauen ABBA-Outfit. Verheiratet & geschieden ist Toni Polster auch und hat zwei Kinder. Sein Bua heißt übrigens Anton Jesus Polster. Mittlerweile ist Toni schon lange mit seiner Partnerin Birgit Beierl zusammen und seit vielen Jahren verheiratet. Die markanteste und wohl auch passendste Station seiner Spielerkarriere ist der 1. FC Köln in der Karnevalsstadt Deutschlands. Und irgendwo ist immer Fasching. Auf die Frage eines Reporters, ob er denn bei Köln seinen Vertrag verlängern möchte, kontert Toni Polster wie aus der Pistole geschossen: “Ja, es geht ums Geld. Nur, es ist halt diesmal umgekehrt. Der FC will mir mehr zahlen als ich nehmen will. Das ist die Schwierigkeit, sie wollen mir das Geld praktisch aufdrängen und das möchte ich nicht.” Darauf der Reporter: “Wie soll man denn das verstehen.. das war jetzt ein Scherz, ja?!” Toni: “Hahaha, du bist ein Blitzgneißer, sagt man in Österreich.” Schöner kann man eigentlich nicht tanzen.
© SC Wiener Viktoria