#10 Die Rapid-Viertelstunde
Die „Rapid-Viertelstunde“ ist das traditionsreiche Ritual der Fußballfans des Sportklub Rapid Wien oder einfach für “die Rapid”, wie man in Wien sagt. Die Fans klatschen die letzten 15 Spielminuten rhythmisch ein und versuchen ihre Mannschaft nach vorne zu treiben. Dieses Ritual entstand vermutlich schon zwischen 1903 und 1912 am Rudolfsheimer Platz, wo Rapid damals gespielt hat. Vielleicht gab die Turmuhr der nahegelegenen Kirche den Takt vor. Der Legende nach sind die Rapidler in dieser Schlussphase immer besonders gefährlich – oft fällt noch ein entscheidendes Tor, ganze Spiele kippen plötzlich. Mit dem Umzug 1912 auf die Pfarrwiese wandert dieses Ritual mit und ist bis heute fest in der Rapid-Kultur verankert. Meine Verbindung zur “Rapid-Viertelstunde” ist nicht fan-, sondern berufsbedingt. Es ist die Zeit, als Pressing noch „Forechecking“ heißt und der große Andreas „Andy“ Marek als Stadionsprecher und Fanservice-Leiter die grün-weiße Welt prägt. Für ein neues Radioformat pendle ich Ende der 2000er deshalb wöchentlich zu den Büroräumlichkeiten des ehrwürdigen Hanappi-Stadions in Wien-Hütteldorf. Mit seiner unverwechselbaren Stimme und seinem Entertainment-Talent führt Andy Marek als Moderator durch die Sendung mit dem Namen „Die Rapid-Viertelstunde“, genau. Er berichtet seinerzeit recht aufgeweckt über das Geschehen der letzten Woche und gibt einen Ausblick auf den nächsten Spieltag in der österreichischen Bundesliga oder auf die kommenden Auftritte im internationalen Geschäft. Das Highlight jeder Produktion ist dann der Gang in die Katakomben des Stadions: Interviews mit Spielern und dem Trainer, die wir später mit ihren Statements in die Sendung schneiden. Unvergesslich bleibt Rapid-Fußballgott Steffen Hofmann – direkt aus der Dusche, nur mit einem Handtuch um die Hüfte, oder auch der damalige Trainer und heutige Sportdirektor des ÖFB, Peter Schöttel – auch ein Großer, fast zwei Meter. Ich bin mit Mikrofon und Mini-Disc-Player mittendrin und halte alles radiotauglich fest. Doch Moderation ist nur eines der vielen Talente von Andy Marek. Ein Geheimtipp auf YouTube ist „Andy Marek – Top Secret“ – stimmlich und pantomimisch top. Bis heute bleibt der gebürtige Waldviertler seiner Leidenschaft für Bühnen, Stimmen und Menschen treu. Gemeinsam mit den Niederösterreichischen Nachrichten ruft er „NÖN sucht das größte Talent“ ins Leben. Irgendwann endet dann meine Zeit beim Radio, auch „Die Rapid-Viertelstunde“ wandert vom Radio ins Fernsehen und läuft immer noch im Programm des Wiener Senders W24. Nach gesundheitlichen Problemen beendet Andy Marek Anfang 2020 seine Tätigkeit bei Rapid, mitten in turbulenten Vereinszeiten, die bis heute andauern. Doch Rapid findet eine typisch österreichische Lösung: Sein Sohn Lukas übernimmt als Stadionsprecher und Moderator die Sendung. Eine Rolle bleibt aber untrennbar mit Andy Marek verbunden – die des Stadionsprechers der österreichischen Nationalmannschaft. Wenn sein „Tooor für Österreich“ durch das Ernst-Happel-Stadion hallt, fühlt sich das Publikum sofort zuhause. Und für ihn persönlich ist es sicher ein Erfolgserlebnis, die WM 2026 mit der Nationalmannschaft direkt mitzuerleben, auch weil er nicht mehr bei allen Rapid-Heimspielen am Wochenende dabei ist. Die Leidenschaft Fußball lässt einen nicht los, oder wie es Tommi Schmitt im Podcast “Gemischtes Hack” ausdrückt: „Ich merke immer sehr, wie wichtig Fußball für mein Seelenheil ist. Das klingt sehr groß, aber das ist wirklich so. Ich verstehe nach wie vor nicht, wie Menschen so durchs Leben kommen, ohne dass samstags oder am Wochenende dieses Highlight stattfindet.“
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