#2 Der Autofahrer hat die Geisterbahn verlassen

Ich wiederhole: “Der Autofahrer hat die Geisterbahn verlassen.” Selbstbewusst, voll fokussiert und zu 100% das Future-Proof-Mindset verinnerlicht, so wie es sich jeder Arbeitgeber wünscht, genau so habe ich damals das Radiostudio in Richtung Schreibtisch verlassen. Ohne mit der Wimper zu zucken aber auch ohne genau zu wissen was ich da gerade on air gesagt habe. Nur das Gelächter meiner Arbeitskolleginnen & Kollegen hat mir schnell klar gemacht, irgendwas stimmt hier nicht.. Letztendlich ist ja eine Geisterfahrer-Entwarnung erfreulich und eine Erleichterung, nur so ist sie zuvor wohl nur von wenigen Radiomoderatoren verkündet worden. “Der Geisterfahrer hat die Autobahn verlassen”, richtig. Mein Job als Radiomoderator, als Verkehrs- und Sport-Anchorman, bei Radio 88.6 hatte aber eigentlich ganz anders begonnen, klassisch als Praktikum nach dem Studium. Bei Campus Radio 94.4, dem St. Pöltner Fachhochschulradio, hatte ich während des Studiums schon in den Sommermonaten regelmäßig moderiert, zu dritt dann die wöchentliche Sendung “fresh ´n´ punky” abgeliefert. Was für ein Spaß! Wehret den Anfängen! In dieser Zeit finden dann auch immer wieder Partys mit den Campus Radio – DJs statt. Der Start der Auflegerei, damals noch mit schwerem CD-Koffer im Anschlag, mit selbst gebrannten CDs und mit Filzstift beschrifteter Songliste. Wir sprechen von den 2000er – Jahren. Eine der ersten Online – Musiktauschbörsen, Napster, wurde gerade von der Band Metallica verklagt und Spotify war noch lange nicht erfunden. Bei meiner 1. Hochzeit als DJ waren noch Schallplatten im Spiel. Schon damals Vintage, jetzt wieder modern. Alles kommt wieder oder besser, war nie weg. Zurück zum 88.6 – Praktikum, der Grund für vermehrte Radioeinsätze zu Beginn war die Tatsache, dass mein 88.6 Society – Kollege eine flapsige Bemerkung in Richtung Jeannine Schiller bezüglich ihres Alters abgelassen hatte. Nicht boshaft, aber so etwas passiert in einer lockeren Interviewsituation und die Stars sind empfindlich. Wer sich fragt, Jeannine Schiller? Genau, die Miss Velden von 1979. So wollte es das Schicksal dass ich einige Abende mit Jeannine und ihrem Gatten Friedrich Schiller im Marchfelderhof in Deutsch-Wagram verbringen durfte, oft war auch Richard Lugner mit Anhang dabei. Bei einem zeitlosen Glas Wein, mit oder ohne Mikrofon, lässt sich Vieles besprechen. Sie waren beide wie ich dem Fußballverein Austria Wien zugetan, so etwas verbindet. Friedrich Schiller hatte sein Geld nicht mit Literatur, sondern in der Modebranche gemacht. Die Charity – Aktivitäten Jeannine Schillers, ihre finanzielle Unterstützung für Kinder in Not, lassen ihr Außenbild für mich dann doch ein wenig anders erscheinen, so flach wie die Wirklichkeit medial oft dargestellt wird. Insgesamt eine bunte Erfahrung, zeitgleich der Start meiner “Radiokarriere”. Die zeitweilige Verbindung zu den Schillers blieb auch noch bis zu meinem nächsten Job in der Filmbranche bestehen. Zur Premierenfeier von `Quartett´, der Film handelt von einem Altersheim für Künstlerinnen & Künstler, waren sie neben Harald Serafin und Lotte Tobisch selbstverständlich eingeladen. Und die Schillers sind letztendlich auch gekommen. Man konnte sich aufeinander verlassen.